Kinder an Klettergerüst
Auch Zuhören kann helfen

Auch Zuhören kann helfen

– Badische Zeitung

Auch Zuhören kann helfen
Elternkreispionierin Andrea Saier (Mitte) mit Irene Löffler (rechts) und Eva-Maria Jacober. Foto: Peter Stellmach

TITISEE-NEUSTADT. Hier der junge Vater eines Kindes, das mit einer Behinderung zur Welt gekommen ist: Für ihn sei das Leben zu Ende, sagt er. Dort die junge Mutter eines Jungen mit Down-Syndrom, die plötzlich so viele neue Fragen zum Leben hat. Zwei Fälle, in denen der Elternkreis helfen will, der sich unter dem Dach der Lebenshilfe gebildet hat. Dem Vater zeigen, dass das Dasein trotzdem lebenswert ist. Und der Mutter mit Rat und Informationen weiterhelfen auf ihrem Weg.

Für solcherlei Einsatz wirbt der Elternkreis mit einem Flugblatt und sucht Gleichgesinnte. Es liegt in einer Auflage von 1000 Exemplaren bei der Lebenshilfe, in Arztpraxen, Therapiestellen und bei ähnlichen Einrichtungen aus. Interessierte können sich telefonisch informieren, aber ebenso zu den vierteljährlich stattfindenden Treffen im Kindergarten Regenbogen in Neustadt (Ahornweg) hinzustoßen. Die nächste Zusammenkunft ist am 22. Juni um 15 Uhr.

Überforderung und Unsicherheit


Der erste Elternkreis besteht seit 1989. Ein knappes Dutzend Mütter und Väter mit ungefähr 30 Kindern – einschließlich der Geschwister – im Alter zwischen zehn und 30 Jahren. Man trifft sich immer noch und zieht gemeinsame Unternehmungen durch. Der zweite Elternkreis ist sozusagen die nächste Generation, er besteht auch schon seit zwei Jahren, ein knappes Dutzend Mütter/Väter mit den Kindern im Alter von sechs Monaten bis zum 13. Lebensjahr. Er möchte aber noch wachsen und seine Plattform verbreitern. Ansprechpartnerinnen sind Andrea Saier aus Neustadt und Irene Löffler aus Falkau, auch Eva-Maria Jacober aus Breitnau macht sich stark


Warum? Weil sie sie kennen, die "leidvollen und traurigen Erfahrungen, die man sich nicht gewünscht hätte", wie es Eva-Maria Jacober formuliert, "jeder hat seine eigene Geschichte mit dem Kind." Weil man damit klarkommen muss, dass das eigene Kind beeinträchtigt ist, das eine weniger, das andere mehr, und eben "anders" ist und nicht so kann wie die meisten Jungen und Mädchen. Weil man eher zurückhaltend anderen Müttern begegnet – man ist ja nicht so unbeschwert.

Sie wissen um die Überforderung für viele Eltern, mit der Situation zurechtzukommen. Plötzlich ist ein ganz anderes Wissen notwendig, als man es erwartet und vorbereitet hatte. Wohl immer steht die Frage im Raum, warum mein Kind, warum wir? Es bestehen Unsicherheiten: Wie geht man auf die Nachbarn oder die Dorfgemeinschaft zu? Wie reagiert man auf das Verhalten der anderen, die ja meist selbst nicht wissen, wie sie einem am besten begegnen sollen. Irene Löffler schildert, wie sie mit ihrer Tochter an einer Freizeit teilnahm: Die übrigen Kinder beobachteten das Mädchen zunächst sehr zurückhaltend, aber am Ende war das Miteinander so herzlich und selbstverständlich, dass Anna ganz viele Bilder und Briefe als Erinnerung an die gemeinsame schöne Zeit erhielt.

Nützliches für den Alltag


Es gibt zwar Ämter und sonstige Institutionen, mit denen man all das Formale regeln kann. Aber wer gibt einem beispielsweise die Informationen über den Arzt oder die Therapie, die gut sind – oder von denen aus diesem oder jenen Grund lieber abzuraten ist? Oder nützliche Hinweise für das Einleben in den Alltag, der eben anders vorgezeichnet ist als üblich. Da können die erfahrenen Eltern anderen schon helfen. Es geht aber auch darum, einfach nur Gehör zu geben für Gespräch, im Austausch der vielfältigen Erfahrungen Kraft und Zuversicht zu geben.

Gar nicht zuletzt ist beabsichtigt, Betroffenen vorzuleben, dass es eben nicht so ist, wie es der erwähnte junge Vater empfindet. Dass Glück nicht davon abhängt, ob ein Kind behindert ist oder nicht. Sondern dass es auch für und mit behinderten Kindern Tolles gibt – wenn auch vielleicht andere Dinge, andere Themen. Und dass man trotzdem interessante Menschen kennenlernen kann.

Kein Mitleid, sondern Akzeptanz


Die Treffen haben viele Themen, können Informationsveranstaltungen mit Vorträgen ebenso sein wie Ausflüge oder Feste zu bestimmten Anlässen im Jahresverlauf. Es kann sich mal um Gesichtspunkte der Förderung oder um die Rolle der Geschwister drehen, um Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen – hier zum Beispiel um die Inklusion, also die Einbeziehung von Kindern, die eine Einschränkung haben, in Regelklassen. Gerade im Hochschwarzwald wird es interessant werden, wie es in dieser Frage weitergeht von der Grundschule aus.

Die Treffen sind offen für alle, Verwandte und Freunde wie Interessierte, die Kinder sind häufig dabei. Oft spielt durchaus die sogenannte Normalität die vorherrschende Rolle und alles andere tritt in den Hintergrund. Die drei Frauen – es sind in der Regel die Mütter, die ihre Sache in die Hand nehmen – haben auch erlebt, dass, je mehr sich der Kreis weitet und je mehr andere Familien dazustoßen, sich die eigene Geschichte relativiert. Das ist auch der Gedanke für das Zusammenleben mit der Öffentlichkeit: Man will kein Mitleid, sondern Akzeptanz.

500 Euro bilden den Etat, der von der Lebenshilfe bereitgestellt wird. Die Lebenshilfe ist auch anderweitig behilflich, beispielsweise mit Räumen oder Beförderung. Wer den Elternkreis und seine Bemühungen unterstützen möchte, kann an die Lebenshilfe spenden.

ANDREA SAIER Jahrgang 1962, hat drei Kinder und seit vielen Jahren im Elternkreis. Ihr ältester Sohn, geboren 1988, ist schwerstbehindert und auf jegliche Hilfe angewiesen. Er wohnt in einer Wohngruppe und daheim. Andrea Saier sagt: "Durch seine schelmische, liebenswerte Art hat er viele Freunde gefunden, und er ist der Sonnenschein unserer Familie." Kontakt:  07651-3134

Irene Löffler
Jahrgang 1965, ist dreifache Mutter. Ihre Tochter, ein Zwillingskind, geboren 2002, ist nach einer Herzoperation, bei der es zu einer Gehirnblutung kam, oft im Rollstuhl und braucht in fast allen Dingen des täglichen Lebens Unterstützung. Irene Löffler sagt: "Sie ist gern mit ihren Geschwistern unterwegs, sehr fröhlich und an allen Begegnungen interessiert." Kontakt:  07655-933989

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