Kinder an Klettergerüst

Durch den Dschungel

– Badische Zeitung

TITISEE-NEUSTADT. 250 000 Euro Förderung gehen von der Aktion Mensch an die Lebenshilfe Südschwarzwald. Mit dem Geld wird ein Projekt unterstützt, das es in dieser Form in ganz Deutschland noch nicht gibt. Menschen mit Behinderung sollen gefördert werden, abseits von Werkstätten eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt zu finden. Was sich simpel anhört, benötigte einen mehrjährigen Vorlauf und die Unterstützung aus der Politik. Seit dem 1. April ist das Projekt angelaufen.

"Wir sind die Ersten, die uns durch den Dschungel gewagt haben", sagt Uli Pfeiffer, der Geschäftsführer der Lebenshilfe Südschwarzwald. Pfeiffers Dschungel sind Verordnungen und unklare Vorgaben Rechtsbegriffe, an denen er vorbei muss, um das Projekt "Kompass" auf den Weg zu bringen.

Die Grundidee ist einfach. Es gibt Menschen mit Behinderung, die nicht in einer Behindertenwerkstätte arbeiten können. Etwa, weil sie nicht mit fremden Menschen zusammen sein können, oder allergisch sind auf die verwendeten Werkstoffe. Andere Arbeit wäre für sie aber möglich und ist sogar oft dringend gewünscht. Hier setzt das Projekt an. Die Lebenshilfe will diese Menschen unterstützen, eine maßgeschneiderte Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden, die ihren Fähigkeiten entspricht. "Das ist ein Sprungbrett ins Arbeitsleben", sagt Kerstin Axt, die das Projekt bei der Lebenshilfe betreut. Die Menschen sollen für ihre neuen Aufgaben trainiert und gezielt gefördert werden. Und dass soll nicht zu lange an der Schulbank geschehen. Ziel ist es, die Menschen möglichst schnell an den Arbeitsplatz zu bekommen. Dort soll es einen festen Ansprechpartner geben und es werden regelmäßige Gespräche mit allen Beteiligten geführt.

 


Um das Projekt ins Leben zu rufen, brauchte es allerdings einen langen Vorlauf. Komplizierter wird es nämlich, wenn es ums Geld geht. Denn im Gesetz ist geregelt, dass Menschen mit Behinderung eine finanzielle Unterstützung bekommen, wenn sie in einer Werkstätte oder in einer sonstigen Beschäftigungsstätte arbeiten. Was eine sonstige Beschäftigungsstätte ist, ist im Gesetzestext aber nicht definiert. Die Idee der Lebenshilfe sieht vor, die Förderung und Arbeitssuche über diese Zuschüsse zu bezahlen. Aber ob das Angebot der Lebenshilfe dem Gesetzestext entspricht, war, als die Planung begann, unklar. Und ohne Gewissheit über das Budget droht das Projekt zu scheitern, bevor es überhaupt losgegangen ist. "Ich weiß von anderen Trägern in Deutschland, die Ähnliches ins Leben rufen wollten, aber es wegen der Probleme wieder gelassen haben", sagt Pfeiffer.

Das Konzept passt zum Gesetz


Die Lebenshilfe Südschwarzwald holte sich Hilfe aus der Politik. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Dörflinger klärte mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ab, ob das Konzept mit dem Gesetz vereinbar ist. "Das ist wirklich ein unbestimmter Rechtsbegriff im klassischen Sinn", sagt Dörflinger. Bei einem Besuch des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen in Neustadt wird die Idee außerdem vorgestellt, um Unterstützung zu bekommen. Es wird klar, das Konzept passt. Aber ohne die Abstimmung der verschiedenen Ebenen, von Lebenshilfe über Landkreis als Kostenträger bis zum Gesetzgeber in Berlin, konnte das Projekt nicht starten.

Und auch bevor Geld von der Aktion Mensch geflossen ist, hat es Verhandlungsgeschick gebraucht. Die Aktion fand das Projekt zwar von Anfang an gut und unterstützenswert. Aber die Richtlinien der Sozialorganisation geben eigentlich vor, kein Geld zuzuschießen, wenn die Finanzierung über öffentliche Gelder gegeben ist. Das wäre bei dem Projekt der Lebenshilfe ja der Fall. Es gelang Aktion Mensch zu überzeugen, dass die Spende für den Aufbau des Projekts eingesetzt werden kann. Denn hierfür fließt kein Geld vom Landkreis.

Die Nachfrage ist da


Jetzt sind die Räume in Waldshut für das Projekt geöffnet. Erste Anfragen gibt es schon. "Uns hat sogar die Mutter einer autistischen Tochter aus München angerufen. Sie kommt ursprünglich aus der Region, lebt aber schon lange dort. Für die Möglichkeit einen Arbeitsplatz für ihre Tochter zu finden, würde sie sogar zurückziehen", sagt Axt. Pfeiffer meint, "es kann gut sein, dass wir das Konzept in den Hochschwarzwald übernehmen". Er glaubt, dass das Konzept der Lebenshilfe vielen Menschen in ganz Deutschland zugutekommen wird, jetzt, da rechtliche Klarheit über die Finanzierung herrscht.

Der Bedarf für ein solches Angebot scheint es zu geben. In der kommenden Woche finden die ersten Beratungsgespräche statt. Bereits zehn Menschen haben Interesse angemeldet. Kerstin Axt hat im Saarland ein ähnliches Projekt aufgebaut, allerdings für Menschen mit psychischer Erkrankung. Das Ziel dort war, nach fünf Jahren 60 Teilnehmer zu finden. Die Zahl war nach einem Jahr erreicht.

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