Kinder an Klettergerüst
Es kreucht und fleucht

Es kreucht und fleucht

– Badische Zeitung

TITISEE-NEUSTADT. Ihre Hände hat Jana so aufeinandergelegt, dass ein kleiner Hohlraum entsteht. Fest drückt die Vierjährige ihre Finger dafür zusammen. "Peeeetraaaaa", ruft sie der Leiterin des Waldkindergartens am Felsele aufgeregt zu. "Ich hab’ schon wieder ein Käfer gefangen." Frühjahr im Waldkindergarten: Die Natur erwacht und die Kinder entdecken. Außerdem gibt eine Besonderheit: Sei einigen Tagen werden die Baumstümpfe im Felselewald künstlerisch gestaltet.

 

Laut schreit die Kettensäge. Gekonnt fährt Bernd Schwarte mit dem Schwert durch das Holz und formt den Körper eines Hasen. Dabei wird der Schnitzer aus Titisee genau beobachtet. Niklas und weitere Jungs aus dem Waldkindergarten wollen sehen und erfahren, was oberhalb ihrer Hütte passiert. "Erkennt ihr das Tier?", fragt der Schnitzer. Natürlich, klare Sache. Auch die Eichhörnchen und den Specht etwas oberhalb auf dem Stamm haben die Kinder längst als solche ausgemacht. "Ein Buntspecht", präzisiert eines der Kinder sogar.

Seit vergangener Woche ist Bernd Schwarte dabei, drei große Stümpfe am Felsele zu gestalten. Die Bäume mussten im Februar 2017 fallen, um den 30-Meter-Abstand vom Wald zur Kindergartenhütte einhalten und somit das Gebäude überhaupt nutzen zu können. Dass die hölzernen Überbleibsel ein Gesicht bekommen sollen, wurde schon vergangenes Jahr zugesagt. Jetzt ist es soweit. Die Lebenshilfe als Träger des Kindergartens und das Team der Einrichtung haben die Planung in die Hand genommen und auch den Auftrag an den Schnitzer erteilt. "Die Stadt unterstützt das Ganze mit einem Geldbetrag", wie Förster Dierk Weißpfennig erklärt.

Ein Magier im grünen Mantel

Eine Figur ist schon fertig. Sie zeigt einen Zauberer mit großem Hut, einem langen weißen Bart und Stock. Zwei Tage hat Bernd Schwarte dafür gebraucht. Der gelernte Zimmermann, selbstständige Clown und Artist hat sich das Gestalten mit der Kettensäge selbst beigebracht. "Das Arbeiten macht viel Spaß", sagt er. Und bei solchen Helfern, wie er sie im Waldkindergarten findet, ist die Freude noch größer. Der Nachwuchs ist gerade damit beschäftigt, abgesägte Holzstücke den Hang hinunter zu werfen – und so aufzuräumen.

Zusammen mit den Waldtieren auf Stumpf zwei und einem Turm, der aus dem dritten Stamm entsteht, ist der Magier im grünen Mantel Teil einer Geschichte. Sie wurde von der Mutter eines Waldkindergartenkindes geschrieben und erzählt davon, wie das Felsele einen neuen Beschützer bekommt. "Aber psssst", sagt Kindergartenleiterin Petra Isele lachend und legt sich den Zeigefinger auf den Mund, "mehr wird noch nicht verraten." Denn auch die Kinder wissen nichts Genaues. Und je mehr Gestalt die Stämme annehmen, desto größer wird die Spannung. Geschichte und Baumfiguren werden beim Frühlingsfest am kommenden Samstag vorgestellt.

Während es im Wald um Großes geht, beschäftigt Jana sich mit Kleinem. Die Vierjährige ist, wie Petra Isele sagt, "unsere Krabbeltierkönigin". In runden und eckigen Plastikboxen hat die Vierjährige alles gefangen, was an diesem Morgen auf der Wiese des Waldkindergartens kreucht. Marienkäfer, eine Spinne und mehrere Schnurfüßer. Sie hat Jana unter den Holzhockern rund um die Feuerstelle entdeckt. "Die wollen im Schatten sein – weil sie Angst haben", erklärt sie. Ihr Hauptaugenmerk aber gilt dem Steinläufer. Er hat, wie das Mädchen erfahren hat, Giftklauen, um sich gegen Angreifer wehren zu können. "Der hat Hunger", sagt Jana und gibt eine Handvoll gerupftes Gras in den Becher. "Schau’, jetzt frisst er." Die Kleine strahlt. Und hüpft aufgeregt, als sich eine Biene nähert: Auch in der Luft ist was los. Der vierjährige Alan-Tao kommt dazu und schaut mit großen Augen nach den kleinen Tieren. Sie alle werden am Abend wieder freigelassen.

Nebenan wird eingeparkt. Drei der insgesamt 20 Kindergartenkinder am Felsele haben den Bollerwagen vorgefahren. Er ist beladen mit Schubkarren. "Die haben wir gebraucht, um unser Blumenbeet herzurichten", erklärt Petra Isele. Am Eingang zur Hütte hat der Nachwuchs mit Hilfe der Erzieherinnen eine runde Einfassung aufgebaut. Dafür wurden Steine aus dem Wald geholt. Den Humus hat ein Vater mit dem Traktor gebracht. In den nächsten Tagen wird gepflanzt. Was, muss noch besprochen werden. "Wir haben an Ringelblumen gedacht, die Blüten kann man essen", sagt die Leiterin. "Peeeetraaaaa", ruft es laut. Jana will ihren neuesten Fang zeigen. Frühling im Waldkindergarten.

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